Häusliche Pflege überlastet viele Angehörige – Ergebnisse einer Befragung

Mehr als ein Drittel der Menschen, die Angehörige zu Hause pflegen, fühlen sich extrem belastet und können die Pflegesituation nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht mehr bewältigen. Das geht aus einer neuen Studie der Hochschule Osnabrück hervor. Die Arbeitsgruppe hat dafür im Auftrag des Sozialverbandes VdK rund 56.000 Menschen in Deutschland online befragt. „Die häusliche Pflege ist am Limit. Es rächt sich, dass sie jahrelang ein Stiefkind der Politik war und sträflich missachtet wurde“, sagte die VdK-Präsidentin Verena Bentele bei der Vorstellung der Studie mit dem Titel „Nächstenpflege: Alleingelassen und in Bürokratie erstickt“.

Laut der Untersuchung sind 72 Prozent der Pflegenden weiblich. Die Hälfte der Befragten versorgt ein Elternteil. Jeder zweite der Pflegenden ist bereits im Rentenalter und körperlich selbst nicht mehr fit: 63 Prozent haben täglich körperliche Beschwerden und 59 Prozent geben an, wegen der Pflege die eigene Gesundheit zu vernachlässigen.

In 30 Prozent der Fälle sind Pflegebedürftige an Demenz erkrankt. Dies verschärft laut der Studie die häusliche Situation: Angehörige seien hierdurch wesentlich stärker belastet und weniger widerstandsfähig.

Ein Großteil der Befragten wünscht sich mehr von den bisher möglichen Entlastungsangeboten wie etwa der Tages- und Nachtpflege (61 Prozent), der Kurzzeitpflege (77 Prozent) oder der Verhinderungspflege (84 Prozent). Allerdings werden 62 bis 93 Prozent dieser Leistungen von ihnen nicht in Anspruch genommen.

Ein Grund dafür sind laut der Befragung unzureichende Kapazitäten bei den professionellen Pflegeanbieter. So gaben 49 Prozent der Befragten pflegenden Angehörigen an, dass es nicht genug Tagespflegeplätze gebe, 56 Prozent nennen als Grund zu wenig Kurzzeitpflegeplätze. 
„Wir brauchen daher dringend den Anspruch auf einen Tagespflegeplatz – so wie es diesen auch auf einen Kindergartenplatz gibt“, forderte Bentele.

Ein weiterer Grund für die geringe Inanspruchnahme sind laut der Befragung die Zuzahlungen. Über die Hälfte der Befragten schrecken sie davon ab, einen Pflegedienst (56 Prozent), die Tagespflege (52 Prozent), Verhinderungspflege (57 Prozent) und Kurzzeitpflege (57 Prozent) in Anspruch zu nehmen. Vom Pflegegeld, das 82 Prozent der Befragten bekommen, bliebe sonst zu wenig übrig, befürchten sie.

Zudem wird jeder Fünfte von den Antragsverfahren abgeschreckt. „Diese Menschen brauchen dringend Unterstützung und zwar eine, die auch wirklich zur Verfügung steht, zu ihren Bedürfnissen passt und sie unbürokratisch erreicht“, fasste Bentele die Ergebnisse zusammen. Sie fordert eine grundlegende Reform der Unterstützungsleistungen: Ein einheitliches Budget, in das alle Ansprüche einflössen, sei für die Pflegenden sehr viel besser handhabbar, regte sie an.

Laut dem VdK werden mehr als 80 Prozent der 4,1 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause von nahestehenden Menschen versorgt, entweder von diesen allein oder mit Hilfe von ambulanten Pflegediensten. © hil/aerzteblatt.de

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